Beinarbeit für Kampfsportler (oft zutiefst unterschätzt)


Beinarbeit für Kampfsportler
Beinarbeit für Kampfsportler

Neben der mentalen Verfassung, dem Trainingszustand, Körperkraft, Gewicht und Athletik, ist die Beinarbeit, das wichtigste Element in den (schlagenden) Kampfsportarten.

Gute Beinarbeit sorgt dafür, dass du zur richtigen Zeit, am richtigen Platz stehst. Du kannst sie nutzen, um Schlägen auszuweichen und dich selbst so positionieren, dass du in gute Schlagposition kommst. Für kämpferische Auseinandersetzungen mit Waffen gilt das ganz besonders.

Die Beinarbeit im Kampfsport ist genauso entscheidend wie Schlagkraft, Taktik und Technik. Zur Beinarbeit gehört der richtige Stand, die Distanzkontrolle, in alle Richtungen mobil zu sein und so bessere Winkel zum Gegner zu erzeugen.

Du willst vieles darstellen, mit Sicherheit aber keine „sitting duck“. Die sprichwörtlich zum Abschuss freigegebene unbewegliche Ente, die der Jäger in aller Ruhe anvisieren kann.

Mit der Beinarbeit kannst du deine kämpferischen Fähigkeiten entscheidend verbessern. Denn was hilft der härteste Schlag, wenn du nicht in Schlagposition kommst?

Was macht gute Beinarbeit aus?

Einnehmen des richtigen Standes

Ein guter Stand ist das A und O im Kampf. Es gibt Richtlinien, wie dieser auszusehen hat, aber keine allgemeinen für jeden gültigen Wahrheiten. (World class boxing auf YouTube.) Seht euch diese Analyse an. Biomechanisch richtiges Schlagen erklärt!

Kriterien für einen guten Stand

Mobil zu sein. Du möchtest dich in alle Richtungen gleichermaßen gut und ökonomisch bewegen können. Dabei soll bestmögliche Stabilität gewährleistet sein.

Du willst Meidbewegungen, das sind Ausweichbewegungen mit dem Oberkörper, ohne Schritte zu machen, gut ausführen können. Dazu ist es nötig, weder zu breit, noch zu schmal zu stehen.

Gut Kraft zu generieren, ist ein weiteres Merkmal eines guten Standes. Ebenso Deckung zu bieten. So ist ein zu aufrechter Stand mit erhobenem Kinn suboptimal.

Kontrolle der Distanz zum Gegner

Wer es schafft, die Distanz zum Gegner zu bestimmen und zu kontrollieren, hat wesentliche Vorteile auf seiner Seite. Neben der Beinarbeit spielt hier die Fähigkeit konstant Druck aufzubauen und aufrechtzuerhalten eine wichtige Rolle. Aber das ist schon ein eigenes Thema für sich.

Hand – Fuß Koordination

Eine gute Hand – Fuß Koordination ist wesentlich, um technisch sauber und kraftsparend bei maximaler Effektivität arbeiten zu können. Über kleine Steps, oder schnelle Gewichtsverlagerung kannst du zusätzlich Kraft generieren, oder deine Schläge beschleunigen.

Positionierung zum Gegner – Beinarbeit für Kampfsportler

Neben augenscheinlichen Faktoren, wie Leichtfüßigkeit und der Fähigkeit schnell die Richtung zu ändern, spielt die Positionierung zum Gegner eine entscheidende Rolle.

Im BJJ gibt es die Regel: Position before submission!

Für den Standkampf, mit und ohne Waffen, gilt ähnliches. Die Positionierung zum Gegner ist in verschiedenen Kampfkünsten unterschiedlich, abhängig von der Zielsetzung, Wissensstand, historischer Entwicklung und mehr.

Im ETF Escrima haben wir unsere Positionierung aus dem historischen Waffenkampf.

Im Boxen und den Mixed Martial Arts gibt es unterschiedlichste Ansätze, abhängig vom Kämpfer und strategischen und taktischen Ausrichtung. Die Positionierung, kann auf den Körpertypen ausgelegt sein, darauf ausgerichtet sein, selbst zu treten, oder Tritte zu vermeiden.

Sie kann darauf abzielen, eigene Takedowns zu erleichtern, oder gegnerische zu erschweren.

Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko war aufgrund seiner Stilistik mehr seitlich ausgerichtet, mit dem Ziel wenig Angriffsfläche zu bieten, die eigene Führhand zu bringen und maximale Schlagkraft mit der Schlaghand zu entfalten.

Mike Tysons, Peek a Boo Stil ist neutraler, weniger fechterisch ausgelegt, sondern zielt auf aggressives Konterboxen ab. Beinarbeit wird hier verwendet in mittlerer bis naher Distanz, schnelle Positionen zu wechseln und maximale Schlagkraft zu generieren.

Oft wird dabei die Auslage gewechselt, oft auch in vorteilhafte Positionen gesprungen.

Vorteilhafte Winkel – in Angriff und Verteidigung

Wie oben beschrieben geht es darum in vorteilhafte Position zu kommen.

Die Beinarbeit für Kampfsportler zielt also darauf ab, einen vorteilhaften Winkel zum Gegner zu gewinnen.

Du versuchst also in die gegnerische Flanke, oder gar hinter ihn zu kommen. Das hat den Vorteil, dass du selbst gut schlagen und deine Waffen (Hände, Beine, Ellenbogen, Knie..) optimal einsetzen kannst, während dein Gegner das nur mehr schlecht, oder gar nicht mehr kann. Er ist ja nicht mehr auf dich ausgerichtet.

Das bringt ihn in eine biomechanisch schlechte Schlagposition (Trittposition). Es verkürzt seine effektive Reichweite und nimmt ihm mitunter die Möglichkeit, dich mit einer, oder gar beiden Händen erreichen zu können, ohne sich neu ausrichten zu müssen.

Dazu muss er einen oder mehrere Schritte oder Steps machen, was ihn Zeit kostet und dir einen kurzfristigen, aber möglicherweise entscheidenden Vorteil verschafft.

Einflüsse auf die Beinarbeit

Roy Jones Jr. Einer der besten Boxer der Geschichte, in seiner Glanzzeit hat nebenbei wettkampfmäßig Basketball gespielt. Einflüsse aus unterschiedlichsten Sportarten finden auch Eingang in die boxerische Beinarbeit und die Beinarbeit für Kampfsportler allgemein.

Im Pinoy Boxen fand beispielsweise die fechterische Beinarbeit Eingang, auf die wir im ETF Escrima zurückgreifen. Unter fechterisch darfst du dir aber nicht das Sportfechten vorstellen. Es geht hier vielmehr um alte überlieferte Techniken, die sich nicht auf das geradlinige vor- und zurück bewegen, wie wir es aus dem modernen Fechtsport kennen, beschränken.

Beinarbeit in der Selbstverteidigung

Angefangen mit dem Weglaufen als Option Nummer eins, sollte dir die Beinarbeit ermöglichen:

  • Auf unterschiedlichstem Terrain, stabil und mobil zu sein.
  • Ebenso auf engstem Raum manövrieren zu können.
  • Gut und sicher zu stehen.
  • Tritte sind sehr vorsichtig und sparsam einzusetzen, da sie den eigene Stand immer kompromittieren.
  • Allen Arten von Angriffen, mit best möglichsten Erfolgschancen begegnen zu können.
  • Die Distanz kontrollieren und schnell an die Erfordernisse anpassen zu können.
  • Dich in beiden Auslagen wohl zu fühlen, denn du wirst dir deine Auslage nicht immer aussuchen können.

Übungen für die Beinarbeit

Du solltest Bewegung nach vorne, zurück, rechts, links, oder zur Seite trainieren. Gerade vor, oder zurückzugehen ist grundsätzlich riskant, hat aber in gewissen Situationen durchaus seine Berechtigung.

Grundsätzlich gilt: Es ist wesentlich, am Ende der Bewegung wieder in der Ausgangsstellung zu stehen. Du solltest also nicht länger, kürzer, breiter oder schmäler stehen, als es deiner Kampfstellung entspricht.

Passgang

Im Passgang bist du mobil in alle Richtungen. Du hast im Passgang das rechte Bein und die rechte Schulter, oder das linke Bein und die linke Schulter vorne. Du kannst dich im Passgang in verschiedene Richtungen bewegen. Dazu bewegst du immer den Fuß zuerst, in dessen Richtung du dich bewegst.

Willst du nach vor – bewegst du den vorderen Fuß und ziehst dann den hinteren nach, um wieder in Grundstellung zu enden. Gehst du zurück, startest du mit dem hinteren Bein und folgst mit dem vorderen. Willst du nach rechts, startet das rechte Bein, wenn du nach links gehst das linke Bein und ziehst das andere nach.

Wichtig am Ende der Bewegung solltest du immer in Grundstellung enden und der Abstand der Füße zueinander gleich bleiben.

Diagonalgang

Beim Diagonalgang stehst du mit dem rechten Bein vorne und schlägst mit dem linken Arm und umgekehrt. Du kannst so kraftvolle Schläge über die Hüftdrehung generieren, bist aber nicht so mobil, wie im Passgang.

Pivot Step – gedrehter Sidestep

Du drehst dich dabei um den Ballen des vorderen Fußes. So erzielst du einen besseren Winkel zum Gegner, oder richtest dich wieder nach ihm aus. Dabei kannst du dich sowohl im Uhrzeigersinn, als auch gegen den Uhrzeigersinn drehen.

Step Slide

  • Du bewegst dich nach rechts: Zuerst bewegt sich der rechte Fuß, dann der linke Fuß, bis du wieder in der Grundstellung stehst.
  • Bewegst du dich nach links, beginnt der linke Fuß, bewegst du dich nach hinten, der hintere Fuß, nach vorne der vordere Fuß. Du endest immer in der Grundstellung unter Abstand zwischen deinen Füßen bleibt gleich.
  • Du kannst diese Bewegungsart im Passgang und im Diagonalgang nutzen.

Die Schrittarbeit im modernen Boxsport ist sehr variantenreich. Einflüsse aus anderen Sportarten, wie dem Basketball, haben den modernen Boxsport sehr beeinflusst. Einer der Boxer, der Schritte aus dem Basketball im Boxen genutzt hat, war Roy Jones Jr.

Agility ladder – abwechslungsreiches Training der Beinarbeit

Die Leiter ist ein sehr vielseitiges Trainingsgerät, um die Beinarbeit in verschiedensten Sportarten zu verbessern.

Seilspringen

Die klassische Methode, um Hand – Fuß Koordination, Ausdauer und Leichtfüßigkeit zu trainieren.

Kenny Weldon Übungen für die Beinarbeit

Methoden, die der 2018 verstorbene Boxtrainer Kenny Weldon, Trainer von Evander Holyfield lehrte. Die Übungen an der Linie kannst du ausbauen und so deine gesamte Schrittarbeit trainieren.

Zusammenfassung – Beinarbeit für Kampfsportler

Beinarbeit ist der oft unterschätzte technische Aspekt, der massive Auswirkungen auf deine kämpferischen Fähigkeiten hat. Sie verhilft dir zu schnellen, gut koordinierten Bewegungen in alle Richtungen. Ermöglicht aus unterschiedlichsten Positionen zu schlagen und gezielt in vorteilhafte Positionen zu kommen und die Distanz zum Gegner zu kontrollieren.

Ein guter Stand ist Voraussetzung für wirklich gute Beinarbeit. Es lohnt sich also sich ausführlich mit dieser Thematik zu beschäftigen, wenn du deine Fähigkeiten entscheidend verbessern möchtest.

Mehr über den richtigen Stand im Boxen und Kampfsport.

Was sind deine Erfahrungen? Welche Trainingsmethoden benutzt du?

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