Notwehr? Angriffssignale erkennen in der Selbstverteidigung!


Angriffssignale erkennen!
Angriffssignale erkennen!

Wann ist Notwehr gerechtfertigt? Woran erkennt man, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht?

Wer Bedrohungen anhand der Körpersprache und des Verhaltens potenzieller Angreifer rechtzeitig erkennen kann, hat die besten Chancen, ihnen auszuweichen oder sich im letzten Moment zu entziehen. Dazu muss man in der Lage sein, Gestik und Mimik richtig zu deuten und Angriffsvorbereitungen zu erkennen.

In diesem Beitrag betrachten wir gezielt die Körpersprache von Tätern, um im Sinne des Notwehrrechts angemessen zu reagieren und dies auch juristisch glaubwürdig argumentieren zu können.

Grundvoraussetzung dafür ist es, die gesetzliche Definition von Notwehr zu kennen.

§ 32 Strafgesetzbuch – Notwehr (Deutschland)

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Quelle

§ 3 StGB Notwehr (Österreich)

(1) Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, daß dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.

Wie kann man einen unmittelbar drohenden Angriff erkennen?

Einen unmittelbar drohenden, rechtswidrigen Angriff, kann der geschulte Beobachter, an der Körpersprache, Gestik und Mimik des Aggressors erkennen. Im Zweifelsfall, verlasse dich auf dein Bauchgefühl.

Der erste überraschende Schlag bringt oft schon die Entscheidung und muss unbedingt verhindert werden. Welche Möglichkeiten hast du einen solchen bevorstehenden Angriff zu erkennen?

Es stellen sich also folgende Fragen:

  • Wie wird der Erstschlag vorbereitet?
  • Worauf solltest du achten?
  • Was kannst du in einer solchen Situation tun?

Überfälle, Schlägereien, Angriffe ereignen sich oft völlig überraschend für das Opfer, haben aber nichtsdestotrotz eine Vorgeschichte.

Immer!

Gestern wurden am Frankfurter Bahnhof eine Frau und ihr achtjähriger Sohn vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Auch hier wird es, ohne Videomaterial gesehen zu haben, oder dabei gewesen zu sein, Warnsignale vor dem Verbrechen gegeben haben. Möglicherweise sehr subtil und schwer wahrnehmbar. Aufmerksamkeit im Vorfeld ist die einzige Möglichkeit, solchen Angriffen zu entgehen.

Ein Aggressor und späterer Angreifer wird sich in der Regel sein Opfer gezielt aussuchen. Ausnahmen mag es geben, wenn der Täter unter Drogen steht, oder aus anderen Gründen nicht ganz bei Sinnen ist. So wie Raubtiere in der Natur gezielt eine schwache Beute suchen und nicht gezielt ein gesundes kräftiges Tier angreifen, gehen auch menschliche Aggressoren vor. Das ist Grund-vernünftig.

Geht es beiden doch darum, mit möglichst geringem Risiko und Aufwand zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Jeder unnötige Kampf erhöht die Gefahr selbst verletzt zu werden und gefährdet das eigene Überleben. Sportliche Herausforderungen werden hier in der Regel nicht gesucht.

Welche Kriterien spielen bei der Opferwahl eine Rolle?

Die Schwäche, oder vermeintliche Schwäche des Opfers. Es kann auch die relative Schwäche sein, wenn der Täter genügend Vorteile auf seiner Seite hat. Wer eine Gruppe oder Waffen zur Verfügung hat, kann sich auch leisten stärkere Personen anzugreifen.

Nach einer ersten Einschätzung wird sich der potentielle Angreifer oft seiner Dominanz und Stärke versichern wollen. Das geschieht bewusst und unbewusst.

Er nimmt also Kontakt zu seinem Zielobjekt und potenziellem Opfer auf. Das geschieht schon körpersprachlich und oft auch verbal. Ziel ist es die eigene Einschätzung zu bestätigt und sich der eigenen Dominanz zu versichern und diese auszubauen.

Das ist die lange Version. Diese Prozesse können auch wesentlich schneller ablaufen und einzelne Schritte überspringen.

Wir werden uns genauer ansehen, was ab dem Zeitpunkt der Kontaktaufnahme passiert und was die Zeichen eines unmittelbar bevorstehenden Angriffes sind.

In vielen Fällen wird sich der Täter, wie bereits erwähnt, seiner dominanten Position versichern. Das dient seinem Wohlbefinden, denn er will sicher gehen ein schwächeres Opfer ausgesucht zu haben und nicht an den Falschen zu geraten.

Der Aggressor wird versuchen, seine Dominanz auszubauen und sich gleichzeitig für den bevorstehenden Angriff in Stimmung bringen. Das geschieht auf unterschiedlichen Ebenen. Verbal, körperlich, bewusst und unbewusst.

Notwehr – Angriffssignale erkennen: Worauf achten?

Die Distanz zum Aggressor

Ein Aggressor wird schon aus technischen Gründen versuchen in die Nähe, höchstpersönliche Distanz einzudringen. Von dort aus kann er seinen Überraschungsangriff mit hohen Erfolgschancen starten. Die Reaktionszeiten des Angegriffenen reichen dann nicht mehr aus, um Gegenmaßnahmen zu treffen. Ein gut gezielter Schlag und der Kampf ist vorbei, bevor er begonnen hat.

Routinierte Schläger wissen, wie sie sich in eine für sie vorteilhafte Position bringen. Für genau diese Szenarien bereitet kein gewöhnliches Kampfsport- und Kampfkunst Training vor.

Ich hatte die Möglichkeit, typische Vorgehensweisen von Schlägern und Kriminellen im Unterricht von Sicherheitsexperten Bernd Schubert zu „erfahren“. Gott sei Dank schmerzfrei und ohne Gefahr für Leib und Leben.

Meine Erkenntnis:

Auch ich wäre Opfer geworden. In einigen Situationen hatte ich zwar ein extrem ungutes Bauchgefühl, könnte die Situation aber nicht richtig deuten und wäre im Ernstfall erstochen worden. Kämpferische Fähigkeiten spielen hier erst mal keine Rolle.

Du kommst gar nicht dazu, diese auszuspielen. Wer ohne entsprechendes Training und einschlägige Erfahrungen von einem Profi in dessen Spiel gezogen wird, verliert.

Es gibt, auch kulturell beeinflusst, unterschiedliche Distanzen, die wir normalerweise anderen Menschen gegenüber einhalten. Grundsätzlich gilt, Fremde bleiben in weiterer Distanz. Bekannte, Freunde, Partner lässt man näher an sich heran. SOZIALE DISTANZEN!

Verhaltensregeln:

  • Never Box a Boxer.
  • Never wrestle a wrestler.
  • Und: Never bad mouth a street Fighter!

Das geht garantiert schief! Wer hier glaubt, er könne mit angelernter Rhetorik auf dem Niveau der Profis mitspielen, liegt zu 100 % falsch. Entscheidender Faktor ist der Stresslevel, der viel zu hoch für den Unerfahrenen ist, um noch gut durchdacht und besonnen handeln zu können.

Die nötige Abgebrühtheit fehlt, ohne entsprechende Erfahrungen. Mir jedenfalls und den meisten anderen auch. Hier müssen andere Lösungsansätze greifen.

Was du auf keinen Fall zulassen darfst ist, dass sich der Aggressor in Schlagdistanz hinein manövriert. In Bernd Schuberts Buch Street Safety und den gleichnamigen Seminaren  (Seminare in der BRD) werden Methoden aus der Praxis vorgestellt, die helfen diese Situationen zu lösen, ohne ins Spiel eines abgebrühten Aggressors hineingezogen zu werden.

Denn das Spiel ist kaum zu gewinnen. Ich schreibe das aus tiefster persönlicher Überzeugung.

Die Körpersprache des Aggressors

Du solltest dir sowohl deiner Körpersprache, als auch der des Aggressors bewusst sein. Deine Aufgabe ist Selbstsicherheit auszustrahlen, um gar nicht in die engere Wahl als potenzielles Opfer zu kommen, oder den Aggressor noch einmal zum Nachdenken zu bringen. Eventuell ordnet er dich dann nicht in seiner Zielgruppe ein.

Im oben verlinkten Video wurden die Bewegungsmuster unterschiedlicher Personen und deren Eignung als Opfer analysiert. Das beweist einmal mehr, wie wichtig die eigene Körpersprache ist.

Merksatz: Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren!

Du kannst deine Körpersprache nicht abschalten, sondern du sendest laufend Signale. Was du tun kannst ist, auf die Signale zu achten und diese bewusst zu deinem Vorteil einzusetzen.

Körpersprache des potentiellen Täters

https://www.youtube.com/watch?v=FRicVkpCKsE&feature=emb_imp_woyt

Sollte sich der Aggressor im Laufe der Zeit entschließen dich anzugreifen, wird er bewusst und unbewusst Signale aussenden. Wenn du Pech hast ist die Zeit so kurz und die Signale so gut getarnt und unterschwellig, dass du es nicht mitbekommst.

Es hilft aber, sich im Vorfeld damit auseinandersetzen. Tendenziell wird er sich „aufplustern“ und körperlich größer machen, als er ist. Die Brust rausstrecken, das Kinn leicht anheben, die Arme ausbreiten und mehr Raum einnehmen. Alles Teil einer Einschüchterungsstrategie.

Angriffssignale erkennen:

Im obigen Video reagiert der Angegriffene extrem cool und hat am Ende Erfolg. Ich würde dir trotzdem raten, auf keinen Fall in diese Distanz zu gehen und in ihr zu bleiben.

Die Chance hier kalt K. o. geschlagen zu werden ist extrem hoch. So hätte der Angreifer, mit einer minimalen Änderung seiner Vorgehensweise, die ersten Schläge frei gehabt und der Kampf wäre völlig anders ausgegangen. Da ich hier nicht den falschen Personen Hinweise geben will, werde ich hier nicht ins Detail gehen.

Adrenalin das Stresshormon – Was es bewirkt

Das Hormon Adrenalin wird vermehrt in Stresssituationen ausgeschüttet und bereitet den Körper auf Kampf, oder Flucht vor. Es macht dich auch weniger schmerzempfindlich.

Kennzeichen einer erhöhten Adrenalinausschüttung können sein:

  • Die Tendenz zu mehr Bewegung, um Spannung abzubauen
  • Gewichtsverlagerung von einem zum anderen Bein.
  • Eine beschleunigte Atmung.
  • Zucken der Hände, leichtes Zittern.
  • Erhöhte Körperspannung.
  • Unwillkürliches Ballen und Entspannen der Fäuste.
  • Auf den Zehenspitzen auf und ab federn.
  • Bewegung auf das Opfer hin und wieder zurück.
  • Anspannen der Nackenmuskulatur.

Ein Aggressor verwendet folgende Strategien

Die Entmenschlichung des Opfers

Durch Beschimpfen kann er sowohl den Widerstandswillen des potenziellen Opfers testen, als auch sich selbst Gründe für einen Übergriff liefern.

Der Einsatz der Stimme

Tendenziell lauter und zunehmend einschüchternd und aggressiv. Gezielte Distanzüberschreitungen zu Testzwecken, solange er sich seiner Sache noch nicht ganz sicher ist.

Achte auf die Augen!

Der Spiegel der Seele. Achte auf Veränderungen. Blinzelte er mehr, oder weniger? Wie verändern sich die Pupillen? Die Augen können auch zum Täuschen verwendet werden, indem der Täter sie zur Ablenkung nutzt. Manchmal zieht er den Blick des Opfers dadurch gezielt auf eine bestimmte Stelle, um dann anzugreifen.

Unmittelbar vor einem Angriff vergewissern sich viele Täter oft, ob Zeugen in der Nähe sind, indem sie ihren Blick schweifen lassen.

Mimik

Inwiefern verändern sich die Gesichtszüge?

  • Aggression
  • Hass
  • Wut
  • Abscheu

Gestik

Werden die Bewegungen langsamer, oder schneller? Hektische, fahrig, oder eiskalt berechnend? Was machen die Hände? Sind sie zu sehen, oder nicht? Möglicherweise wird eine Waffe verborgen, oder der Griff zur Waffe verdeckt. Hier ist höchste Aufmerksamkeit geboten.

Körperkontakt eine weitere Grenzüberschreitung

Oft, aber nicht immer checkt dich der Täter auf deine Eignung zum Zielobjekt, indem er seinen Widerstandswillen und deine Kraft durch Schubsen testet.

Wenn du das zulässt, wird er sich bestärkt fühlen und seine Aggressionen intensivieren. Zusätzlich kann er diese Vorgehensweise nutzen, um ungestraft in Schlagdistanz zu gelangen. Das darfst du nicht zulassen. Welche Vorgehensweisen passend sind, hängt von der Situation ab.

Notwehr? – Warnsignale unmittelbar vor einem Angriff

  • Oft wird noch einmal die Umgebung überprüft.
  • Sind Zeugen in der Nähe?
  • Gibt es Personen, die eingreifen könnten?
  • Absenken des Kinns, um weniger verwundbar zu sein und den Hals zu schützen.
  • Täuschungsmanöver mit den Augen.
  • Das Stellen einer Frage zur Ablenkung.
  • Verdeckte Ausholbewegungen und Einnehmen einer Kampfposition. Dabei wird meistens ein Bein zurückgenommen und die Positionierung zum Opfer geändert.
  • Die Hand des Täters fährt an die eigene Nase, übers Gesicht, oder durch die Haare. Hier wird unbewusst versucht, die eigene Absicht zu verbergen. Es kann auch genutzt werden, um die Ausholbewegung zu verschleiern.
  • Manche Täter nehmen auch eine Betposition mit den Händen ein. (Handfläche an Handfläche)
  • Leichtes Beugen der Beine. (Um schnell starten zu können)

Diese Angriffssignale können, müssen aber nicht gesendet werden. Je routinierter ein Täter, umso besser kann er seine Absichten verbergen und umso schneller und entschlossener wird er handeln. Die Vorgänge können sich über mehrere Minuten, aber auch nur wenige Sekunden erstrecken. Ich kann hier nur Anhaltspunkte geben. Ohne jegliche Garantie auf Vollständigkeit. Dazu ist der Sachverhalt zu komplex und individuell.

Fazit – Angriffssignale erkennen

Die Fähigkeit, Angriffsabsichten im Vorfeld zu erkennen, ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Notwehr. Das Notwehrrecht in Österreich und Deutschland erlaubt es, einem unmittelbar bevorstehenden Angriff zuvorzukommen. Der Angreifer sendet auch unbewusst Signale aus, die für das geübte Auge erkennbar sind.

Lerne, diese Signale zu erkennen und noch wichtiger: Vermeide es, in solche Situationen zu geraten!

Wichtig: Routinierte Angreifer beherrschen es hervorragend, ihre Absichten zu verschleiern. Hier kann dir nur dein Bauchgefühl helfen. Agiere unmittelbar, wenn du dich unwohl fühlst. Bewege dich. Lass nicht zu, dass der (potenzielle) Angreifer in die Schlagdistanz kommt.

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